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Text File  |  1992-09-15  |  8KB  |  144 lines

  1. Shareware
  2. ---------
  3.  
  4. Auch in den vorigen Ausgaben des Forums schon angesprochen, macht sich in
  5. letzter Zeit eine erneute Diskussion um den Sinn und Unsinn von Shareware
  6. breit.  Dabei ist meist zu beobachten, daß die verschiedenen Autoren eine
  7. recht unterschiedliche Meinung davon haben, was Shareware eigentlich ist.
  8. So war in der letzten Forum-Ausgabe zu lesen, daß der Shareware Gedanke
  9. durch den Vertrieb von Demos komerzieller Produkte unter der Bezeichnung
  10. Shareware ausgehölt würde.
  11.  
  12. Dabei ist grundsätzlich anzumerken, daß es sich bei Shareware prinzipiell
  13. um komerzielle Software handelt, für deren Vertrieb lediglich ein
  14. unkonventioneller Weg gewählt wurde.  Der Benutzer erhält die Software zum
  15. Test, und zahlt lediglich dann, wenn er sie auch wirklich nutzt.
  16.  
  17. Die Vorteile dieses Vertriebskonzepts bedürfen wohl keiner Diskussion.
  18. Vielmehr interessiert, welche Ansprüche sich aus der Tatsache ableiten
  19. lassen, daß es sich bei Shareware eigentlich um komerzielle Produkte
  20. handelt.  Hier gehen die Meinungen offensichtlich weit auseinander.  Auf
  21. der einen Seite beschweren sich Anwender, daß die zum kostenlosen Kopieren
  22. freigegebenen Versionen vieler Programme durch 'Nerv'-Requester,
  23. Einschränkung der Funktionen etc.  nur noch bedingt den Anspruch der 'Prüf
  24. vor Kauf'-Software erfüllen.  Doch auch mit Programmen, deren vollständige
  25. Version frei kopierbar ist, sind User unzufrieden, da sie nach Zahlung der
  26. Share-Gebühr nichts erhalten, was sich von der Software, die sie zum Testen
  27. bereits haben, unterscheidet.
  28.  
  29. Welche Ansprüche der Anwender aus dem Zahlen der Share-Gebühr hat, ist
  30. eigentlich klar:  Er erhält die Erlaubnis, das Programm, welches sich schon
  31. in seinem Besitz befindet, legal zu benutzen.  Ein Anspruch auf
  32. irgendwelche anderen Leistungen besteht, sofern in der Prorammdokumentation
  33. nichts anderes vermerkt ist, nicht.
  34.  
  35. Wer also ein Shareware-Programm kauft, in dessen Dokumentation nichts von
  36. einem Update oder einer anderen Version erwähnt ist, sollte sich überlegen,
  37. daß er mit dem Geld lediglich die Nutzung der schon erhaltenen Software
  38. legalisiert, und sich nicht darüber beschweren, keine weiteren Leistungen
  39. vom Autor zu erhalten.
  40.  
  41. Bei im Programm vorliegenden Fehlern sieht die Sache natürlich anders aus.
  42. Hier hat der Anwender wie bei jeder anderen käuflich erworbenen Software
  43. auch, ein Recht auf Beseitigung der Fehler.  Diesen Anspruch durchzusetzen
  44. gestaltet sich jedoch meist schwierig, da nach geltender Rechtssprechung
  45. kein Programm fehlerfrei sein kann.
  46.  
  47. Haben sich in der Vergangenheit hauptsächlich die Autoren beschwert, viele
  48. würden ihre Programme nutzen, doch nur wenige sie tatsächlich kaufen, so
  49. war in letzter Zeit verstärkt zu lesen, daß sich viele Anwender von den
  50. Autoren im Stich gelassen fühlten.  Zum einen lag das wohl an den
  51. überhöhten Vorstellungen seitens der Anwender.  Zum anderen ist es auch für
  52. User recht ärgerlich, wenn sie Share-Gebühren zahlen, und nicht die
  53. geringste Reaktion seitens des Autors erfolgt.  Eine Postkarte mit einem
  54. Dankeschön für den Kauf des Programms oder einfach dem Hinweis, daß die
  55. Zahlung angekommen ist, sollte auch bei einer Share-Gebühr von 10 DM noch
  56. drin sein, und würde dem Anwender die Gewissheit geben, daß das Geld auch
  57. wirklich seinen Bestimmungsort erreicht hat.
  58.  
  59. Eine Idee wie die 'Association of Shareware-Professionals' nach PC-Vorbild,
  60. deren Mitglieder einen gewissen Service garantieren, wäre sicherlich auch
  61. auf dem Amiga wünschenswert.  Die Frage ist nur, ob es überhaupt genügend
  62. Autoren gibt, die mit ihren Amiga Shareware Programmen nennenswerte
  63. Einkünfte erzielen.  Sieht man sich die vielen Beschwerden in den diversen
  64. Netzen über die lange Wartezeit auf registrierte LHA-Versionen an, kann man
  65. jedoch den Eindruck erhalten, daß zumindest einige Programmierer die
  66. Gewinnschwelle erreichen.  Wenn ausgerechnet diese Leute die User durch
  67. lange Wartezeiten wieder vertreiben, fällt das natürlich auf alle anderen
  68. Autoren zurück.
  69.  
  70. Sieht man sich die Lage auf PCs an, so scheint dort der Vertrieb von
  71. Programmen per Shareware durchaus erfolgreich zu sein.  Zu nennen sind hier
  72. profesionelle Firmen wie G&S oder Apogee, die sich ausschließlich von
  73. Shareware finanzieren, letztere sogar über den Vertrieb von Spielen, die
  74. als Shareware auf dem Amiga ein eher klägliches Dasein fristen.
  75.  
  76. Was diese Firmen allerdings von etlichen Amiga-Autoren unterscheidet, ist
  77. die Profesionalität beim Vertrieb.  So verfügt Apogee über mehrere
  78. autorisierte Händler in der ganzen Welt, die Shareware-Zahlungen entgegen
  79. nehmen.  Etwas Vergleichbares ist auf dem Amiga nur selten zu finden, wobei
  80. man natürlich auch die Verkaufszahlen von PC und Amiga sehen muß.
  81.  
  82. Dennoch ist es einfach zu wenig, als Autor ein Programm in Umlauf zu
  83. bringen, die Share-Gebühren zu kassieren, und dann kein weiteres
  84. Lebenszeichen mehr von sich zu geben.  Will man den Anspruch auf
  85. Profesionalität wahren, den man dem Programm durch die Deklaration als
  86. Shareware veleiht, reicht dies sicher nicht aus.
  87.  
  88. Natürlich gehört dazu auch, daß Anwender sich bereit finden, die Gebühren
  89. zu entrichten.  Leider zahlen die meisten User wohl erst dann für Software,
  90. wenn sie dadurch etwas erhalten, was noch nicht in ihrem Besitz ist, wie
  91. z.B.  ein gedrucktes Handbuch oder eben eine neue Programm-Version.  Warum
  92. sowenig Autoren diesem Verhalten Rechnung tragen und eben gedruckte
  93. Handbücher anbieten oder eine ständige Weiterentwicklung des Programms (und
  94. dadurch verbesserte Versionen zumindest über einen festgesetzten Zeitraum
  95. hinweg) garantieren, ist rätselhaft.  Es sollte dem registrierten Benutzer
  96. wenigstens ein anderes Unterscheidungsmerkmal gegenüber Nichtzahlern
  97. gegeben werden, als die alleinige Tatsache, ein paar Mark ärmer geworden zu
  98. sein.
  99.  
  100. Sicher macht ein gedrucktes Handbuch für ein Ballerspiel, einen Packer oder
  101. kleinere Tools wenig Sinn.  Hier hilft es meiner Ansicht nach lediglich,
  102. eingeschränkte Versionen der Programme in Umlauf zu bringen, oder
  103. vebesserte Versionen nur an zahlende User auszuliefern, wie es z.B.  bei
  104. LHA praktiziert wird.
  105.  
  106. So versucht die 'Spielefirma' Apogee auf dem PC erst gar nicht Geld für
  107. etwas zu kassieren, was der Benutzer bereits erhalten hat, sondern gibt von
  108. ihren Spielen immer den ersten Teil als Freeware heraus, während die
  109. folgenden Teile nicht frei kopierbar sind.  Dies entspricht zwar nicht ganz
  110. dem Grundgedanken der Shareware, läßt sich aber zumindest bei dieser Art
  111. Software wohl nicht anders realisieren.
  112.  
  113. Auch G&S bieten Support wie andere profesionelle Hersteller auch.  Eine
  114. Hotline für umfangreiche Programme ist eigentlich selbstverständlich, auch
  115. wenn diese nach dem Shareware-Prinzip vertrieben werden.
  116.  
  117. Sicher ist dies bei Verkaufszahlen in dreistelligen Bereichen oder darunter
  118. nicht realisierbar.  Es existiert hier wohl der Teufelskreis, daß Anwender
  119. wegen des geringen Supports keine Share-Gebühren zahlen, und Programmierer
  120. oder Firmen wegen der geringen eingegangenen Zahlungen keinen Support
  121. anbieten können.  Hinzu kommt das Problem, daß Shareware ein Sammelbecken
  122. sowohl für Software ist, die gleichwertig mit 'normal' vertriebener ist,
  123. oder diese gar übertrifft, und zahlreichen kleineren Tools, die im Kaufhaus
  124. wohl niemand mitnehmen würde, und die deshalb als Shareware vertrieben
  125. werden, mit einem gänzlich anderen Anspruch als die zuvor genannten
  126. Programme.  Dies wird von vielen Anwender offensichtlich übersehen.  Sie
  127. verlangen von den Programmierern dieser Software einen Service, der bei der
  128. geringen Zahl der Registrierungen nicht möglich ist.
  129.  
  130. Insgesamt gäbe es wohl weniger Probleme mit Shareware, wenn einerseits die
  131. Anwender berücksichtigen würden, welche Ansprüche sie durch das Zahlen von
  132. Share-Gebühren wirklich erwerben, andererseits aber auch die Autoren nicht
  133. aus Verärgerung über die wenigen eingehenden Share-Gebühren die Leute, die
  134. wirklich gezahlt haben, wenig beachten bis komplett ignorieren würden.
  135.  
  136. Dennoch denke ich das das Shareware-Prinzip über kurz oder lang seinen Weg
  137. machen wird.  Beispiele auf anderen Computersystemen zeigen, daß es
  138. durchaus Erfolg haben kann.  Die Idee ist einfach zu gut um sich
  139. totzulaufen.
  140.  
  141.  
  142. Tobias Eckert, August '92
  143. Fido: 2:249/71
  144.